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Vom Papierchaos zur digitalen Fertigung: Eines der ersten SAP-Digital-Manufacturing-Projekte der scc in Bulgarien umgesetzt

„Go West“ ist einer der größten Hits von den Pet Shop Boys, den wohl jeder kennt. Für uns hieß es allerdings kürzlich: „Go East“. Denn wir durften eines der ersten SAP-Digital-Manufacturing-Projekte innerhalb der scc umsetzen – und zwar in Sofia. In der bulgarischen Hauptstadt befindet sich der Sitz von Centillion Ltd., einem Unternehmen, das sich für SAP-Digital-Manufacturing entschieden hat. Der Betrieb sorgt zum Beispiel dafür, dass Menschen mit Hörimplantaten ausgestattet werden können. Ein interessantes, aber auch komplexes Feld, das für uns mit Herausforderungen gespickt war. Aber fangen wir ganz von vorne an.

 

 

scc meets Centillion Ltd.

Das bulgarische Unternehmen Centillion Ltd. ist vorrangig im medizintechnischen Bereich sowie in der Raumfahrtindustrie zu Hause und produziert zum Beispiel Implantate. Wir wurden für dieses Kundenprojekt von Next Consult als Sublieferant und Experte im Bereich „SAP Digital Manufacturing" (SAP DM) ins Boot geholt.

Doch bevor es losgehen konnte, galt es, einiges zu prüfen, denn zunächst war nicht klar, ob SAP DM überhaupt für die spezifische Prozessabbildung dieses Fertigungsbetriebes geeignet ist. Und so flogen wir 2022 erstmals nach Sofia und schauten uns das Ganze im Zuge einer Vorstudie an. Vor allem die speziellen Herausforderungen im medizinischen Sektor, wie etwa alles, was in Zusammenhang mit der Rückverfolgbarkeit steht, verlangten nach alternativen Zugängen. Fakt ist auch: Sowohl die Produkte als auch die damit verbundenen Prozesse und die Software müssen zertifiziert sein.

Nach einigen Wochen gab es für uns grünes Licht: SAP stellte ein gutes Grundgerüst zur Verfügung, mit welchem der Kunde die Validierung selbst durchführen konnte. Digital Manufacturing war somit lizenziert, was zugleich den Startschuss für das Projekt bedeutete.

Go East – Projektstart in Bulgarien

Für uns hieß es dann 2023 „Going Back East“ – hinein in den Flieger und erneut ab nach Bulgarien. Dort starteten wir im Mai mit der Umsetzung.

Dabei widmeten wir uns zwei der drei Produktionsbereiche: dem Reinraum, wo die Komponenten für die medizinischen Geräte produziert werden, sowie dem mechanischen bzw. händischen Assembling, also der Zusammenführung. Diese beiden Bereiche galt es live zu setzen.

Welche Spezifika damit verbunden waren und was das Projekt auszeichnet, erzählen wir im Folgenden.

Herausforderungen im Reinraum

Starten wir mit dem Reinraum: In diesem Szenario ist höchste Präzision gefragt. Ein strikter Produktionsablauf ist somit unerlässlich – und dazu zählen viele Überprüfungen. Eine Schlüsselrolle spielen dabei elektronische Unterschriften, die – ergänzend zur Useranmeldung – von Mitarbeitenden an vielen Arbeitsplätzen zu Dokumentationszwecken durchzuführen sind. Hier galt es, ein entsprechendes System aufzubauen. Bis dato wurde die umfassende Dokumentation auf Papier durchgeführt – und genau das sollte sich nun verändern, hin zu einer digitalen Fertigung.

Im Reinraum wird zwar keine Maschinenanbindung durchgeführt, dafür werden hier Kleinstteile, die oft nicht einmal Stecknadelkopf-Größe haben, gefertigt. Und das bringt viele andere Herausforderungen mit sich. Ebenso ist der Reinraum per se ein komplexes Terrain, das mit hohen Hygienestandards verbunden ist, was auch die Testphase beeinflusste.

Ein paar mehr Kniffligkeiten im Detail:
1
RFID-Chip:
Zu berücksichtigen hatten wir einen RFID-Chip, der am ersten Arbeitsplatz verbaut wurde. Durch die eindeutige Identifikationsnummer des Chips und die Übertragung dieser Nummer an SAP Digital Manufacturing ist es möglich, den Produktionsfortschritt des Bauteils in SAP DM zu eruieren sowie die Nummer zu dokumentieren bzw. dem passenden Auftrag zuzuordnen. Dies geschieht mit einem RFID-Laser.
2
Schulungssoftware:
Zudem galt es, das Schulungssystem (M-Files) mit SAP Digital Manufacturing zu verbinden – dies bezog sich auf beide Produktionsbereiche. Dieses Programm weist etwa nach, ob Mitarbeitende die entsprechenden Schulungen absolviert haben, um an einem bestimmten Arbeitsplatz und Produkt tätig zu sein. Das Ergebnis ist nun ein Prozess, bei dem SAP DM zunächst nachfragt, ob Mitarbeitende befugt sind, und ist dies nicht der Fall, so wird ihnen die Ausführung des Arbeitsschritts in SAP DM verwehrt. Zugleich wird angezeigt, welche Nachweise nötig sind.
3
Materialien mit kurzer Haltbarkeit:
Im Reinraum kommen teils Materialien, wie etwa spezielle Kleber, zum Einsatz, deren Haltbarkeit auf nur wenige Stunden begrenzt ist. Wird dieser Kleber nicht innerhalb dieser Zeitspanne verwendet, muss er entsorgt werden. Wird der Kleber dennoch aufgetragen, müsste auch das erzeugte Produkt ausgeschieden werden. Hier galt es somit, eine entsprechende Prüfung aufzubauen.
4
Serialnummer:
Jedes Endprodukt hat eine Serialnummer, wobei im Zuge jedes einzelnen Fertigungsschritts entsprechende digitale Daten hinterlegt werden, wie etwa: Welcher Mitarbeitende hat es produziert? Wann wurde es produziert? Welcher Charge gehört es an? Wann wurde das Produkt geprüft? Und gab es eine Nacharbeit? Bei der Auslieferung erhält der Kunde sodann ein Dokument mit allen Serialnummern bzw. – je nach Anforderungen – auch den Serialnummern der Komponenten, um die Rückverfolgbarkeit zu gewährleisten.
5
Zusätzliches Attribut:
Die EWM-Anbindung (Extended Warehouse Management) stellte sich als knifflig heraus. Der Grund? Im Normalfall können fehlerhafte Erzeugnisse gleich verschrottet bzw. ausgeschleust werden. In diesem Fall müssen fehlerhafte Produkte allerdings zunächst „auf Lager“ gebucht werden – mit dem zusätzlichen Attribut „gesperrter Bestand“. Es wird also ein positiver Bestand simuliert, der gesperrt ist. Danach wird das bereits zusammen­gebaute Produkt wieder in die einzelnen Komponenten zerlegt und an den Kunden zur Nach­prüfung geschickt.

Herausforderungen bei der Endmontage:

In der Endmontage werden Produkte auf manuellen Fertigungslinien zusammengebaut. Wir setzten dabei auf die gleichen Prozesse wie im Reinraum, um einen einheitlichen Ablauf zu schaffen. Zu den größten Herausforderungen zählten dabei:
1
Serialnummer auf Halbfabrikat:
Die Serialnummer wird in diesem Bereich bereits auf das Halbfabrikat gedruckt, zum Beispiel auf eine Hartschale. Das bedeutet: Diese wichtige Nummer, welche für die Rückverfolgbarkeit unabdingbar ist, entsteht nicht erst beim Fertigprodukt, sondern schon einen Schritt vorher. Beim Zusammenbau muss sodann diese eingravierte Information auch ins fertige Produkt übernommen bzw. vererbt werden. In SAP DM ist allerdings jede Nummer gleich ein Auftrag – und jede Auftragsnummer muss eindeutig sein. Wir mussten daher einen Weg finden, um diese Eindeutigkeit zu durchbrechen, damit die Nummer des Halbfabrikats erneut für das Endprodukt verwendet werden kann.
2
Einfaches System:
Wir waren darauf bedacht, ein möglichst einfaches System für die Operator:innen, sprich Mitarbeitende, zu gestalten. Denn viele waren bis dato nicht sehr computeraffin, da bislang mit Papier gearbeitet worden war. Es galt, eine gute Balance zu finden zwischen einer hohen Flexibilität – ähnlich jener von Papier – und einem modernen System, das nur jene Eingaben zulässt, die nötig sind. So werden Fehler minimiert.
3
Automatische Materialverbrauchsbuchung:
Erweiterungen implementierten wir beispielsweise auch bei den automatischen Materialverbrauchsbuchungen, welche im Hintergrund durchgeführt werden. Aufgrund der Materialbereitstellung mittels SAP EWM war der Standard nur zum Teil einsetzbar. Des Weiteren ist eine manuelle Buchung durch das Produktionspersonal aufgrund der hohen Anzahl der Komponenten zu aufwendig.
4
Maschinenanbindung:
In der Endmontage wurde darüber hinaus ein Mimaki-Drucker angebunden. Damit können etwa die Halbschalen mit Serialnummern, Codes und gewissen Texten versehen werden. Die gestarteten Aufträge werden dabei per Knopfdruck an die Software des Druckers übergeben – und zwar über ein eigens entwickeltes Interface bzw. über eine Web-Service-Schnittstelle.

In Osteuropa waren wir nicht zum ersten Mal im Einsatz, wohl aber handelte es sich dabei um eines der ersten SAP-DM-Projekte innerhalb der scc – ein Meilenstein für uns. Wir sind an den Herausforderungen gewachsen und können nun SAP-DM-Projekte jeglicher Größe meistern.
Marcus Ettenauer
LoB Manager Smart Production

On time and on budget

Insgesamt stiegen wir fünfmal in den Flieger und waren jeweils einige Tage am Stück vor Ort – der Großteil wurde allerdings remote durchgeführt. Unser dreiköpfiges Kernteam sowie zwei weitere involvierte Personen unsererseits hatten sich auch an einen sehr straffen Zeitplan zu halten, denn am Go-live-Termin gab es nichts zu rütteln. Trotz aller Kniffligkeiten konnten sowohl der Zeit- als auch der Budgetplan eingehalten werden. Und für uns war die Umsetzung definitiv ein Highlight, schließlich handelte es sich dabei um eines der ersten SAP-DM-Projekte innerhalb der scc.

Wir sind – wie bei jedem Vorhaben – an den Herausforderungen gewachsen. Im Zuge der Implementierung standen wir dabei immer in engem Austausch mit SAP. Als der Go-live Mitte März 2024 endlich über die Bühne gehen konnte, wurde dies bei Centillion Ltd. ausgiebig gefeiert – nach dem Motto: „Ein neuer Meilenstein wurde erreicht, auf in eine digitale Fertigung, auf in eine bessere Zukunft!“ Und das erfüllt auch uns mit Stolz.

Herausforderungen gab es einige – allein der Reinraum ist ja ein interessantes Szenario, welches die Testphase prägte. Es war aber auch schön zu sehen, wie groß die Freude am Schluss bei Centillion Ltd. war und wie sehr dieser große Schritt gemeinsam gefeiert wurde.
Maximilian Rogl
Consultant Manufacturing & Planning

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